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Der Kirchenneubau

Elemente einer Bauidee

Ein nicht speziell architektonisch geschulter Mensch erlebt in der Regel einen Raum “intuitiv”, jedenfalls schaut er ihn nicht mit klaren Begriffen an. Wer dagegen einen Raum bauen will, muss wissen, was er gebaut haben will. Das betrifft nicht nur die architektonisch-künstlerische Seite, das “Wie”, sondern ebenso das “Was”, das heißt die Idee des zu erstellenden Gebäudes. Hierfür kann nicht der Architekt zuständig sein, sondern der Bauherr, der wissen muss, was er denn haben will. Sonst kann der Architekt ihm das nicht bauen.
Bauherr unseres Gemeindezentrums ist die Gemeinde, die für die laufende Arbeit (nicht für die Entscheidungen) einen Baukreis ernannt hat. Der besteht aus Menschen, die für die zu erarbeitenden Fragen schon eine gewisse Portion Sachkundigkeit mitgebracht haben bzw. sich zu deren Erwerb verpflichteten. Dieser Baukreis sah sich vor der Aufgabe, eine Bauidee zu erarbeiten. Maßgeblichen Anteil dabei wird in der Regel der zuständige Pfarrer haben.

Die wichtigste Aufgabe hierbei ist natürlich die Frage nach der Gestaltung des Kirchenraums. Da dies ein Raum in erster Linie für das Feiern der Menschenweihehandlung ist, müsste es möglich sein, aus deren Gestaltung Richtlinien für die Raumarchitektur abzulesen. Ein grundlegendes Prinzip jeglichen christlichen Gottesdienstes ist, das hierbei ein Sich-Berühren und schließlich Sich-Durchdringen von Irdischem und Geistigem sich vollzieht. Hierfür ist ein entsprechender Raum zu gestalten. Versucht man, die Polarität irdisch-geistig oder irdisch-kosmisch in Raum-Kategorien auszudrücken, so kann man die Polarität Würfel-Kugel als angemessen erleben. Der Würfel ist der Inbegriff irdischer Gestalt, in der Natur zum Beispiel im Salz gegeben und im kultischen Zusammenhang in der Kaaba in Mekka von Bedeutung (hier vom Menschen nicht betreten, sondern von außen umrundet). Der Himmel, der Kosmos dagegen wird vom irdischen Beobachter unmittelbar als Kugel erlebt. Damit ist ein erster ideeller Ansatz gegeben: einen Raum zu gestalten aus einer Begegnung und Durchdringung von rechtwinklig-kubischen und gekrümmt-sphärischen Formen. Diese Polarität gehört im Kirchenraum, der aus ebenfalls kosmischen Gründen den Altar im Osten hat, in die Ost-West-Achse. Dabei ist der westliche, der rechtwinklige Teil dem Empfinden nach aus dem Inneren des Würfels zu gestalten, während die sphärischen Kräfte der geistigen Welt gerade nicht aus dem Mittelpunkt der Kugel wirken, sondern aus dem Umkreis (von der Erde, dem Mittelpunkt der Kugel aus gesehen “ist der Himmel gerade ganz weit entfernt”). So kamen wir zu der Linienführung, dass die Wölbungen im Altarraum nicht von innen heraus-gewölbt, sondern von außen hinein-gewölbt sind. Das hat zudem den Vorteil, dass durch diese Wölbung eine möglichste Schall-Streuung und damit gute Raum-Akustik entsteht, während das Gegenteil Schall-Brenn-punkte erzeugen würde, die allenfalls mit großem technischen Aufwand wieder unschädlich gemacht werden müssten.

In einer Zwischenphase unserer Planung war uns das würfelige Prinzip im Westen noch nicht stark genug ausgebildet. Da entstand die Idee, in strenger Rechtwinkligkeit die Musikernische ein Stück nach Westen vorzuschieben. So entstand von innen der Raum für die Musiker, wie er jetzt ist, und von außen gesehen eine vorgeschobene genau quadratische Fläche, die hoffentlich zu gegebener Zeit als eine Art überdimensionaler “Bilderrahmen” ein Kunstwerk aufnehmen wird, das vielleicht im Zusammenhang mit dem noch zu findenden Namen unserer Kirche steht.

Nun ist die Aufgabe noch nicht gelöst mit der Bezeichnung der Polarität. Eine wesentliche Aufgabe allen Christentums ist immer die Ausbildung einer Mitte, die Gestaltung von Begegnung. Das heißt hier, die Übergänge zu gestalten zwischen vorne und hinten an der Kommunionsstufe, zwischen oben und unten, Dach und Fußboden in den Wänden und Fenstern. Hier kann jeder Einzelne sich auf die Suche begeben, ob und wie solche Gestaltung verwirklicht und gelungen ist oder nicht.
Soweit ein erster ideeller Ansatz für den Kirchenraum. Es gibt aber ja noch zwei andere Bauteile. Der Gegenpol zum Kirchenraum ist der Wohntrakt mit zwei Wohnungen, die bei entsprechendem Bedarf mit ganz wenig Aufwand zu einer zusammengelegt werden können. Dieser Gebäudeteil ist als “Dienstwohnung” für in der Gemeinde tätige Menschen vorgesehen und unterliegt in architektonischer Hinsicht den üblichen Bedingungen des Wohnungsbaues.

In der Mitte zwischen Kultraum und Wohnraum liegt aber – außer manchen technisch notwendigen Nebenräumen – noch etwas, der Lage nach das Herzstück der gesamten Anlage: der “Gemeindesaal”. Er erfüllt im Wesentlichen zwei Aufgaben: Erstens ist es der Raum, wo wir als Gemeinschaft von vielleicht 20, 30, 40 Menschen im Kreise sitzen und unsere eigenen Anliegen besprechen können. Der Ort für soziale Prozesse. Die dafür architektonisch sich anbietende Form ist der Kreis, der bei uns aus bautechnischen Gründen zum regelmäßigen Sechseck abgewandelt ist. Hier liegt wiederum eine wunderbare Polarität vor: der Kultraum streng hierarchisch ost-westlich ausgerichtet, der Gemeindesaal “demokratisch-rund”, Gemeinschafts-Bildung und Gemeinschafts-Leben. Zweitens ist der Gemeindesaal dazu angelegt, dass hier Feste und Veranstaltungen stattfinden können, die nicht nur für uns als Gemeinde, sondern für den Stadtteil eine Bedeutung haben: zum Beispiel private Feiern, kleinere Kulturveranstaltungen, Sitzungen politischer Gremien und manches andere. Auch hierfür scheint die sechseckige Form mit dem Flügel an einer Seite und bei Bedarf Erweiterungsmöglichkeiten durch die Faltwände eine sehr geeignete Lösung zu sein.

Jochen Butenholz

 

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Kirchenneubau

Elemente einer Bauidee

Zur Gestaltung von Altar und Fenstern

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