Jugend

Lukas Martin von der Rudolf-Steiner-Schule Schwabing berichtet in beiliegendem Bericht über sein Sozialpraktikum in Sao Paulo.

Sozialpraktikum in der A. C. Monte Azul PDF


Bericht über die Reise einer Münchner Jugendgruppe nach Brasilien im Frühjahr 2013


Wir Jugendlichen

Das Ziel unserer Reise war die Associação Comunitária Monte Azul. Warum?
Die A. C. Monte Azul ist heute weit über die Staatsgrenzen Brasiliens bekannt. Die Organisation ist beliebtes Anlaufziel von jungen Menschen, die dort ihr Soziales Jahr absolvieren. Nun kommen wir ins Spiel: Magdalena, Pawel, Johanna, Laurin, Olivia und ich. Wir wurden alle zusammen konfirmiert, mit Ausnahme von Olivia. Gemeinsam mit unserer Religionslehrerin Christa Schunke kamen wir vor etwa einem Jahr auf die Idee, eine große Reise zu unternehmen. Mitkommen sollten alle aus der ehemaligen Konfirmationsgruppe. Übriggeblieben sind wir fünf, Olivia kam noch hinzu, um die Gruppe zu vervollständigen. Als das Sozialpraktikum Thema wurde, beschlossen wir, die große Reise mit dem Praktikum zu verbinden. Der Vorteil an der Sache: Mindestens drei Wochen keine Schule ohne irgendwelche Extragenehmigungen. Nun holte Frau Schunke noch Thomas Vogl ins Boot. Er kann fließend Portugiesisch und war bereits für ein Jahr in Monte Azul. Als wir die Bestätigung für einen Aufenthalt erhielten, intensivierten wir unsere zuvor begonnenen regelmäßigen Treffen. Wir erhielten Portugiesisch-Unterricht von Herrn Vogl, befassten uns mit Brasilien und bereiteten die Reise vor. So eine Unternehmung benötigt viel Organisation und Geld. Ersteres erledigten Frau Schunke und Herr Vogl entweder alleine oder mit uns. Die Geldfrage gingen wir auf verschiedenen Wegen an: Zunächst konnten wir unseren Flug mit Iberia sehr günstig buchen. Außerdem ließ uns die letzte Jugendgruppe einen ordentlichen Betrag zu unserer Verfügung zurück. Pawel stellte einen Antrag an den Förderverein, dieser sagte zu, die Materialkosten zu decken. Ich ermöglichte eine Unterstützung durch den Kreisjugendring München-Stadt (Körperschaft des Öffentlichen Rechts). Wir alle gemeinsam haben Waffeln und Anderes beim Adventsfest unserer Schule und bei der Vollversammlung der Anthroposophischen Gesellschaft verkauft. So konnten wir wenigstens ein Teil der Kosten decken.

Unsere Gastgeberin Lindava mit Frau Schunke und Herrn Vogl

Unterkunft
Nach all diesen Vorbereitungen bestiegen wir schließlich am 21. Mai das Flugzeug, um über Madrid nach Saõ Paulo zu fliegen. Nach 14 Stunden reiner Flugzeit erreichten wir den außer-städtischen Flughafen. Nach einem Transfer zum innerstädtischen Flughafen und einer erneuten Busfahrt kamen wir an. Unsere Gastgeber heißen Lindava und Rafael Vitorino und gehören auch zu jenen, die im letzten Jahrhundert so zahlreich nach Saõ Paulo strömten. Der Hunger vertrieb Lindava aus dem trockenen Norden Brasiliens. Sie lebte damals mit ihren 20 Geschwistern auf einer Fläche von ca. 20m2. Früher wohnten die beiden unten in der Favela, konnten sich aber dann „hocharbeiten“. Für ihr neues Haus musste Rafael hart arbeiten, teilweise 40 Stunden am Stück. Heute ist er Hausmeister für Monte Azul. Sie geht abends dort zur Schule, und tagsüber ist sie Hausfrau. Ich glaube, gerade wegen ihrer Hungererfahrungen tischt sie bei jeder Mahlzeit reichlich und schmackhaft auf. Alle ihre Kinder haben einen Hochschulabschluss. Mindestens eine Tochter geht auf die Universidade de Saõ Paulo, sie gilt als die beste Universität Südamerikas.
Unsere Arbeit: Verschönerung mit sozialer Wirkung
Wir stellten uns unseren Arbeitsbereich in den Kindergärten oder der Schule vor. Doch es kam anders: Anderen Freiwilligen, die ein Jahr dort absolvieren wird diese Aufgabe zugeteilt. Unsere Arbeit war es stattdessen, eine Grünfläche zwischen der Bibliothek und dem Parkplatz von Monte Azul zu verschönern. Somit hatte unsere Arbeit keine direkt soziale Seite, konnte aber indirekt überzeugen: Durch die Säuberung und Neubepflanzung des zentral gelegenen Platzes setzten wir ein Zeichen für positive grüne Veränderung und Verbesserung.

Abends besuchten wir einmal mit einer Tochter unserer Gastgeber und einer Freiwilligen ein Capoeira-Training. Wir verloren uns unterwegs, denn der Bus war zu voll. Ein anderes Mal besuchten wir die Monatsfeier im Centro Cultural. Das Ganze war typisch brasilianisch organisiert: sehr locker – so sah es zumindest aus. Außerdem besuchte ich eine Forro-Tanzstunde, nachdem ich es zuvor erlernt hatte. Forro, ein Paartanz, ist besonders bei jungen Menschen beliebt. Ein paar Mal folgten wir einer Einladung. Einmal waren wir bei Carmina und ihren drei Töchtern Bruna, Brena und Brenda im Zentrum der Favela. Von außen sah das Haus unscheinbar aus, es war auch nicht verputzt. Doch das täuschte, denn innen fanden wir eine großzügige Inneneinrichtung vor. Carmina vertraut ihren Nachbarn eher als der Polizei. Sie kommt aus Salvador da 5
Bahia im Nordosten Brasiliens. Ihr Mann ist Deutscher. Sie und ihre Tochter Brena behaupteten, mich schon zu kennen, mindestens auf eine visuelle Art.
Arbeitsverlauf
Unsere Arbeit bestand darin, den Platz zwischen Bibliothek und Parkplatz von Monte Azul zu verschönern. Das hatte dieser dringend nötig: Über die ganze Fläche war Müll verteilt, außer-dem stand dort noch ein total kaputtes Auto. Müll sammeln: Wir begannen den Müll aufzusammeln. Was einfach klingt, war eine täglich wiederkehrende Aufgabe, denn am nächsten Tag lag wieder neuer Unrat da, obwohl sich direkt daneben eine Müllsammelstelle befindet. Der Müllinhalt reichte von Essensresten, zerschlagenen Glasflaschen zu Mauerresten und Drogenkanülen. Die schrägsten Funde waren eine iPhone-Schutzhülle, eine Schuhsohle und ein roter BH. Unkraut jäten: Nach dem Müll kam der Unrat an die Reihe: Unkraut wurde gejätet und zusammen mit dem Laub entfernt. Fläche umgraben: Als auch diese Arbeit getan war, begannen wir den Platz umzugraben. An manchen Stellen war dies fast nicht möglich, da der der Boden extrem steinig war. Zutage förderten wir eine Menge kleinerer und größerer Steine, Ziegel und Betonklötze. Pflanzen kaufen: Am Dienstag, den 28. Mai war ich schon um fünf Uhr morgens startklar. Der Pflanzenkauf stand bevor. Der Markt war in einer von vier etwa 200 Meter langen Betonhallen untergebracht. Es gab alles, was das Gärtnerherz begehrt. Wir kauften Dekor,- Bodendecker,- und Hängepflanzen. Ansonsten Blumen, von denen einige besonders gut im Schatten gedeihen. Auffallend viele Händler hatten asiatische Gesichtszüge, vermutlich Japaner. Als die Sonne um etwa Viertel vor sieben aufging, waren die besten Stücke schon vergeben. Bäume stutzen: Ein Gartenexperte aus Horizonte Azul zeigte uns, welche Bäume einer Stutzung bedurften. Das Werkzeug war eher primitiv: zwei nicht sonderlich scharfe Fuchsschwänze und eine Machete. Mit dieser lernte ich das erste Mal zu arbeiten. Der Trick besteht darin, zu-nächst fast parallel zum Stamm einzudringen und dann die Späne durch schräge Schläge abzutrennen. Um das Einreißen des Holzes an der Trennstelle zu verhindern, bearbeitet man zuerst die untere Seite des Stammes und dann die obere. Pflanzen pflanzen: Der letzte Teil der Arbeit war das Setzen der Pflanzen. Wir verfolgten dabei einen Plan, den wir vorher festgelegt hatten. Oben am Durchgang zu der medizinischen Ambulanz setzten wir eine Reihe von Autoreifentürmchen, die mit Steinschutt gefüllt wurden. Diesen verpassten wir jeweils eine schöne Blume. Diese „Mauer“ hat zur Aufgabe, den freien Raum vor der Müllsammelstelle vor Müllsäcken zu schützen. Am Rand der Fläche, die zwischen Bibliothek und Parkplatz verläuft, kamen Dekorpflanzen zum Einsatz. Auf den oberen Teil der Fläche setzten wir zwei Reifendreiecke beziehungsweise sechs kleine Reifentürmchen (je zwei Reifen), die zum Teil um Schattenpflanzen ergänzt wurden. Diese beiden Dreiecke stehen in Symmetrie zu dem Steinkunstwerk oben in der Ecke. Es besteht aus drei behauenen Steinen, die Ordnung, Chaos und Balance symbolisieren.
Sitzgelegenheit schaffen:
Mir war aufgefallen, dass einige Schüler von Monte Azul sich gerne in der Mittagspause am Durchgang zum Ambulatorium aufhielten. Da der Platz nicht nur schöner werden sollte, sondern – wie ich fand – auch um eine praktische soziale Sache ergänzt wer-den sollte, schlug ich eine einfache Holzbank vor. Nach anfänglicher Skepsis wurde die Bank von der Projektleiterin zugesagt. Bis zu dem Moment, in dem ich diesen Satz schreibe, ist allerdings nichts geschehen. Im Gegenteil: Die Schüler schrieben mir, dass stattdessen noch mehr Reifen an diese Stelle kommen sollen. Sowohl sie als auch ich selbst sind ein wenig enttäuscht.

Besondere Erlebnisse und Schwierigkeiten
Am ersten Tag hatten wir gleich zwei spezielle Erlebnisse. Als wir gerade das Laub zusammen-kehrten, kam ein Mann auf die Fläche, der sich als Chilene ausgab. Er begann an einer bestimmten Stelle, ohne uns vorher gefragt zu haben, einen Baumsetzling zu pflanzen. Dann nahm er sich den äußeren unbesetzten Parkplatz vor und grub ihn am Rand frei, um eine kleine Mauer aus Ziegeln zu errichten. Dahinter pflanzte er Verschiedenes. Als ich die Pflanzen später genauer betrachtete, fiel mir auf, dass die Wurzeln fehlten. Grundsätzlich, so hab ich es verstanden, müssen Pflanzen auch in Brasilien mit Wurzeln eingegraben werden um gut zu gedeihen, aber das Klima und die Stärke der Blätter und Stiele gegenüber Umwelteinflüssen machen es möglich, dass Pflanzen wochenlang ohne Wurzeln existieren, ohne sichtbar zu verfaulen. Am selben Tag begannen wir an einer Stelle das Unkraut zu entfernen. Einige Schülerinnen von Monte Azul halfen uns. Plötzlich hatte ein mir unbekannter junger Mann das Werkzeug eines Mädchens in der Hand und bearbeitete den Boden mit kraftvollen Bewegungen. Ich dachte mir, warum nicht. Dann rief er irgendetwas auf Portugiesisch in unsere Richtung. Es klang gereizt. Ich sah, dass die Einheimischen sich zurückzogen, wir gingen mit, unsicher, wie die Situation zu verstehen sei. Der Unbekannte verschwand dann auch. Uns wurde später erzählt, dass er Drogen-probleme hätte und dass das Krankenhaus jegliche Hilfe verwehrt haben soll. Er ist für seine gefährlichen Aggressionsausbrüche bekannt, deshalb auch der Rat der Einheimischen, Abstand zu wahren. An einem anderen Tag kam ein Penner von der Straße. Er versuchte sich mit unseren Mädchen zu unterhalten. Dann begann er zu zeigen, wie sie die Arbeit seiner Meinung nach besser machen könnten. Als er damit nicht aufhören wollte, zogen wir uns zurück. Eine Zeit lang redete er wütend in unsere Richtung, dann war er plötzlich wieder zufrieden und lachte sogar. Kurz darauf verschwand er. Ich glaube, er war ein armer Penner, der im täglichen Straßenleben kaum menschlichen Kontakt erlebt und sich bei uns Gesellschaft erhofft hat. Er hat mir leidgetan. Die letzten anderthalb Wochen schaute täglich ein alter Mann vorbei. Ihm schien es Freude zu machen, jeden Tag die Veränderungen zu beobachten. Dafür nahm er einiges auf sich; er schien halbseitig gelähmt zu sein. Ansonsten hatten wir viele Beobachter und Zuschauer bei unserer Arbeit, vor allem Passanten und Schüler. Ich glaube, im Großen und Ganzen hat es den meisten gefallen. Unser Zeichen kam offensichtlich an.

Die Jugend der Christengemeinschaft ist offen für alle, die mitmachen wollen. Wir unternehmen Fahrten ins Ausland, um europäische Kultur zu erleben. Um die Barcelonareise zu finanzieren, haben wir ein Theaterstück aufgeführt. Außerdem beteiligen wir uns an den im In- und Ausland stattfindenden regelmäßigen Ferienlagern und Tagungen. Jugendliche unterstützen die Durchführung der Familienfreizeit, indem sie Kindergruppen leiten. Man selbst sein zu dürfen, ohne einer Rolle gerecht werden zu müssen, ist Grundidee der Freizeiten.
Die Aktivitäten sollen Anregungen bieten, die auf dem persönlichen Lebensweg weiterführen. Es geht uns darum, diese Angebote selbst zu entwickeln und durchzuführen.

Ein weiteres Beispiel:

Die Jugendgruppe in Barcelona 2010

Monte Azul Sozialpraktikum