Sakramente

Die Menschenweihehandlung

Mitglied in einer Gemeinschaft zu sein bedeutet gewöhnlich: „dabei sein“, „dazugehören“. Wenn es sich um eine religiöse Gemeinschaft handelt, kann mehr oder weniger bewusst noch die Stimmung dazukommen: „Ich gehöre zur ,richtigen Seite’ “, oder gar: „Ich gehöre zu den Auserwählten“.
Um alles dies geht es in der Chris­ten­gemeinschaft nicht. Man ist dort nicht ein „besserer Mensch“, man ist auch nicht „am Ziel“. Christ zu sein be­deu­tet: „Ich bin auf der Suche, auf dem Weg.“
Christus zu suchen ist ein ganz per­sön­licher Weg. Es kann aber sehr be­stär­kend sein, sich auf diesem Weg mit anderen zu vereinen, die auch suchen. Die Vereinigung der vielen Wege, auf denen einzelne Menschen Christus such­en, ist der Abendmahls­gottes­dienst, der seit der christlichen Zeit mit Brot und Wein gefeiert wird.
Diese Feier wird in der Christen­ge­mein­schaft „Menschenweihehandlung“ genannt.
Warum „Menschen“-Weihehandlung und nicht „Gottes“-Dienst?
Seit Urzeiten versammeln sich Menschen vor Al­­tären, um Göttern zu dienen. In diesen Got­tes­­diensten war aber die Ehrfurcht fast immer gemischt mit Furcht, mit der Angst vor der All­macht Gottes.
Erst durch Christus trat das göttliche Wesen als Mensch­ in Erscheinung. Er kam aber nicht als ein Mensch „wie du und ich“. Als Got­tes­sohn führte er die Erdenmenschen, die sich von der göttlichen Welt immer mehr ent­frem­det hat­ten, wieder zur Begegnung mit ihr­em geis­ti­gen Ursprung – und dadurch zu sich selbst, zu ih­rem eigenen Mensch-Sein.
Zum Altar der Christengemeinschaft führt kei­ne Furcht, son­dern die Emp­fin­dung, dass ich das Göttliche in mir selbst beleben möchte, dass ich auf dem We­ge bin, wirklich Mensch zu werden. In­sofern ist auch die „Men­schen­wei­he­hand­lung“ der Christen­ge­mein­schaft ein Dienst an Gott. Er wird aber dadurch vollzogen, dass er die Ge­genwart des Men­schen­gottes Christus in je­dem Men­schen an­regt und ihn so immer mehr zum Menschen weiht.

Das Zeichen des Kreuzes
Mehrfach im Verlauf der Handlung gibt es die Mög­lichkeit, sich zu bekreuzigen. Dabei zie­hen die Menschen in der Gemeinde mit der Hand je ein kleines Kreuz über der Stirn, über dem Kinn und über der Brust. Der Priester macht ein großes Kreuz, das von einem Kreis umschlos­sen ist.
Das Kreuz ist das schlichteste Zeichen, wie sich himmlische Kräfte (Senkrechte) und ir­dische Verhältnisse (Waagerechte) durch­drin­gen. Im Kreis des Priesterkreuzes werden all diese Gebetskräfte zusammengefasst und strö­men der göttlichen Welt als Kraft zu.

Das Evangelium hören
Im ersten Schritt der Menschen­wei­he­hand­lung wird das Evan­ge­li­um hörbar. Jede Woche wird in der Wechselbeziehung zwi­schen dem sprech­enden Priester und der hörenden Ge­mein­­de ein anderer Abschnitt aus dem Leben und der Wirk­samkeit des Chris­tus lebendig: Er spricht von der Wirk­lichkeit der gött­lichen Welt; er lehrt die Men­schen, nicht nur die Er­de, son­dern auch die Him­melswelt zu ver­­­ste­hen; Menschen, die als Sünder oder Be­sess­ene ge­ächtet sind, gibt er die Kraft, sich wieder mit ihrem Schick­sal zu versöhnen; er heilt die Kran­ken und fügt so den ver­sehr­ten Leib wie­der zu einer heilen Ein­heit; er durch­lebt die Er­fahrung des To­des so, dass der Tod nicht mehr das Ende ist, sondern ein Durch­gang zum Leben wird.
Sonntags wird in der Regel eine Predigt an­ge­schlossen, die das Erlebnis vertiefen und mit der eigenen Erfahrung verbinden will. Es geht nicht um Bibel-„Auslegung“, sondern um eine lebendige Beziehung zum Evangelium.

„Opfern“ – was bedeutet das,
und was nicht?
Der zweite Schritt ist die Opferung. Das hat für manches Ohr heute etwas Un­an­ge­neh­mes – was aber wird da eigentlich geopfert? Das Wort
„opfern“ leitet sich her von den la­tei­nischen Wörtern „operari“ und „offerre“. Sie bedeuten „arbeiten“ und „dar­brin­gen“.
Die Zeiten, wo Tiere oder Feldfrüchte ge­op­fert wur­den, sind vorbei. In der Chris­ten­ge­mein­­schaft wird während der Hand­lung auch kein Geld eingesammelt. Es werden kei­ne ma­teriellen Dinge ge­op­fert, sondern die bes­ten eigenen Seelen­kräfte, die wir zu­stan­de brin­gen: unsere reinen Ge­­dan­ken, die Lie­be­kräfte unseres Herzens, die Hingabe in die ge­meinsame Tätigkeit.
In der Menschenweihehandlung zu „opfern“ heißt also: innerlich tätig werden und diese Tä­tigkeit in den Strom der Handlung ein­fließ­en lassen, „darbringen“.
Die Wahr­neh­mung von dem, was ich da ei­gent­lich einbringe, „op­fere“, kann sehr viel kon­kre­ter werden, wenn ich von Zeit zu Zeit das neue Sakrament der Beichte* hinzu­neh­me. Es geht nicht um gries­grä­mige „Auf­op­fer­ung“, sondern um meine per­sönliche, ak­ti­ve Beteiligung an der Men­schen­weihe­hand­lung.

Die Wandlung der Materie
Der dritte Schritt ist die „Wandlung“, die „Trans­­substantiation“ des Weines (in der Chris­tengemeinschaft un­ver­go­r­ener Trau­ben­saft) und des Brotes. Christus verwandelt sie in sein Blut und seinen Leib. Wie kann man das ver­ste­hen?
Wenn man das materiell meint, wird es ei­gent­lich ma­­kaber; wenn man es rein sym­bo­lisch erlebt, wird es völlig sub­jek­tiv und da­mit be­deu­tungslos. Es lässt sich aber aus der ei­gen­­en, menschlichen Erfahrung ver­ste­hen: Mein eigener Leib ist ja nicht deshalb mein Leib, weil er aus bestimmten Teilen oder Mo­le­külen be­steht, sondern nur, weil gerade ich darin lebe, „drinstecke“,
exis­ten­tiell damit verbunden bin. Sobald ich
sterbe und diesen Körper verlasse, hört er auf, mein Leib zu sein. Chris­tus ver­bin­det sich so tief und existentiell mit diesen Sub­stan­zen, dass er sagen kann: „Dies ist mein Leib und mein Blut“.

Das Vaterunser
Wie in jedem christlichen Hauptgot­tes­dienst ist das Vaterunser auch in der Men­schen­wei­he­hand­lung ein fester Be­stand­teil. Es wird laut ge­betet vom Priester am Altar, und alle Anwe­sen­den sind frei, sich äußerlich still und inner­lich aktiv daran an­zu­schließen. Dieses große Gebet, das Christus selbst gebetet hat, bildet den Abschluss der Wandlung.

Abendmahl und Mitgliedschaft
Als Viertes kommt hin­zu, sich nun selbst mit der ver­wan­del­ten Christus-Sub­stanz zu ver­bin­­den, sie als geistige Nahrung in sich auf­zu­neh­­men. Man nennt das „Komm­un­ion“, also die „Ver­ei­ni­gung“ mit Chris­tus. Der Pries­ter nimmt am Altar das Brot und den Wein nicht für sich per­sön­lich, sondern für die ganze Ge­mein­de zu sich. An diesem Vorgang hat jeder Mensch An­teil, der die Men­schen­­wei­he­handlung mitfeiert. So wird die Men­schen-Gemeinschaft zu ei­ner Christen-Ge­mein­schaft.
Zu der Gemeindekommunion des Priesters tritt noch die Mög­lich­keit hinzu, durch die indi­vi­­du­elle Kommunion selbst die verwandelten Sub­­stanzen in sich aufzunehmen. Wer vor den Altar tritt, bekommt eine kleine Brot-Hostie und einen Schluck von dem Traubensaft aus dem Kelch. Bei diesem in­di­viduellsten Akt kommt noch hinzu, dass man vom Priester mit einer Se­gens­ges­te an der Wange berührt wird und er dazu den Friedenssegen des Chris­tus spricht. Hier verdichtet sich das Gebet so weit, dass nicht nur meine Seele, sondern auch mein Leib davon innerlich und äußerlich berührt wird. Tie­fer kann eine Verbindung nicht gehen. Es beginnt ein Weg, durch den ich allmählich Teil der Gemeinschaft werde.
Mit­glied­schaft in der Christengemeinschaft ent­­steht und lebt, indem ich die Sak­ra­men­te mit­voll­­zie­he. Trotzdem bin ich erst dann Mit­glied, wenn ich auf ei­genen Wunsch durch ei­nen Priester als Mit­glied auf­ge­nom­men werde und mich dadurch zu diesem Weg be­kenne. Es ist sinnvoll, dies mit dem neuen Sakrament der Beichte zu ver­bin­den.