Sakramente

Die Beichte

Krankheit oder persönliche Schuld?

Wer eine Grippe hat und im Bett liegt, von dem wird niemand sagen, er „lässt sich hängen“ oder er sei ein „schlechter Mensch“. Krankheiten würde man nie moralisch beurteilen, sie kommen von selbst und gehören zum Leben dazu.
Trotzdem wartet man nicht, bis eine Krankheit von selbst vorbeigeht, sondern man kann etwas tun, um sie zu heilen. Dadurch übernimmt man Verantwortung für etwas, das man nicht selbst verursacht hat.
Das altmodische, moralisch belastete Wort „Sünde“ leitet sich von dem altsächsischen Wort „sunnea“ ab und bedeutet soviel wie „Not“ oder „Krankheit“. Auch im Schicksal gibt es Schwächen und Krankheiten, die nicht persönlich verursacht sind, sondern einfach damit zusammenhängen, dass wir als Menschen auf der Erde leben.
In der Menschenweihehandlung*, dem Abendmahlsgottesdienst der Christengemeinschaft, wird diese Krankheit „Sündenkrankheit“ genannt. Sie äußert sich zunächst einfach darin, dass ich Müdigkeit, Hunger und Durst erlebe (mich also nicht immer im Gleichgewicht befinde). Sie wirkt sich aber auch seelisch aus, z.B. wenn ich mich mit einem anderen missverstehe, träge oder zornig bin, wenn ich Hochmut oder Verachtung gegenüber einem Menschen empfinde – vielleicht sogar gegenüber mir selbst.
Im seelischen Bereich kann die Sündenkrankheit also dazu führen, dass ich nicht nur selber daran leide, sondern anderen Menschen Leid zufüge. Und hier beginnt der Bereich, wo ich mich selber schuldig mache – meist ohne es zu wollen – und wo ich selbst Verantwortung trage, die Beziehung zu anderen Menschen und zu mir selbst wieder zu heilen.

Schicksal und Freiheit

Wäre das Leben vorbestimmt durch irgendeine „Vorsehung“, dann wäre es sinnlos, irgendetwas aus eigener Verantwortung tun zu wollen, denn es gäbe keine Freiheit.
Es ist ja offensichtlich, dass mir laufend Dinge geschehen, die ich nicht selbst vorhersehen kann und die ich nicht selbst herbeigeführt habe. Wenn ich aber in einer konkreten Situation bin, habe ich fast immer die Möglichkeit, sie mitzugestalten und durch mein Verhalten zu beeinflussen. Außerdem tue ich Dinge, die ich selbst entscheide und verantworte. Die Folgen dieser Ereignisse kommen vielleicht auch wie von außen auf mich zu, aber ich habe sie selbst herbeigeführt.
Ich bin also nicht entweder „vorbestimmt“ oder „frei“, sondern beides begegnet sich auf meinem Lebensweg, in meinem persönlichen Schicksal. Ich selbst bin der Schauplatz, wo die Welt verändert wird, indem ich aus dem, was mir begegnet, selbst etwas gestalte.

* Zur Menschenweihehandlung gibt es ein eigenes Faltblatt.
Die neue Beichte –
bejahen statt verdrängen

Als Mensch habe ich die Möglichkeit, mich an meine Vergangenheit zu erinnern, also mir mein Schicksal innerlich bewusst vor Augen zu führen. Ich bin aber auch fähig, Erlebnisse zu verdrängen und mich dadurch nicht nur von diesem Ereignis, sondern eigentlich von meinem Schicksal, von mir selbst abzutrennen.
Wie das Wort Sünde hat auch das alte, belastete Wort „Beichte“ ursprünglich eine sehr schöne Bedeutung: Es stammt von dem althochdeutschen Wort „bijehan“ und bedeutet einfach „bejahen“.
In dem neuen Beichtsakrament geht es nicht um Reue und Buße. Es geht darum, zum eigenen Schicksal ein eigenständiges, kreatives, bejahendes Verhältnis zu entwickeln und dadurch im Leben handlungsfähiger und allmählich seelisch gesund zu werden.

Geliebt werden und lieben lernen

Sich selbst und das eigene Schicksal anzunehmen und bejahen zu lernen hat nichts zu tun mit „schönreden“. Ich kann aber versuchen, mein Leben genau anzusehen. Dabei kann ich auch in den Dingen, die ich vielleicht nicht bejahen kann, Bereiche entdecken, die gut sind und die ich annehmen und gutheißen kann, ohne sie schönreden zu müssen. Ich entdecke, was in meinem Leben liebenswert ist.